Ich
buchte mir am Sonntag ein Ticket nach Gladstone. Eine Industriestadt,
mit ca 30.000 Einwohnern. Gladstone ist geprägt durch den
Kohleabbau, den Gewinn von Erdgas und den damit verbunden Hafen. Laut
Alex, aus Bundaberg, gäbe es dort eine Vielzahl an Arbeitsplätzen.
Ich dachte mir, wenn ich jemanden Vertrauen würde, dann Alex. Ich
nutzte den Morgen für ein ausgiebiges Frühstück mit Ruymam und
bereitete mir ebenfalls ein paar Sandwiches für die Fahrt vor, denn
das Frühstück war im Hostel kostenlos mit einbegriffen. Dieses
bestand in den meisten Hostels aus Toast, mit verschieden Aufstrichen
und Kornflakes, dazu gab es meist einen Durchlauferhitzer für
Wasser, sodass man sich Tee und Kaffee machen konnte.
Nach
dem Essen checkte ich aus, aber verweilte noch ein paar Stunden in
dem Gemeinschaftsbereich und schrieb Couchsurfinganfragen, sodass ich
in Gladstone keine Unterkunft bezahlen müsse. Dazu kam noch, dass es
dort nicht mal ein Hostel gab. Man schreibt also die Leute an,
erzählt von seinen Gemeinsamkeiten und kopiert diesen Text dann
unzählige Male und sendet es, natürlich mit vorher geänderten
Namen, an alle Leute die zu finden sind. Allerdings bevorzugte ich
eher alte Leute, da diese die besseren Kontakte haben und ich so
vielleicht einfacher Arbeit finden konnte.
Ich
klappte meinen kleinen Laptop zu, verabschiedete mich von Ruymam, der
noch am selben Tag, per Anhalter, nach Süden fahren wollte, und ging
vor die Tür, wo ein kleines Bus stand. Die meisten Hostels bieten
ebenfalls einen solchen Bus an, mit denen die Gäste zur Stadt oder
zur Busstation gebracht werden. In meinem Fall war es Letzteres und
so erreichte ich nach ca. 10 Minuten bequem den Couchterminal von
Hervey Bay. Nach eine kurzen Wartezeit, stand mein Greyhound-Bus
ebenfalls dort und ich betrachtete, während der Fahrer eine Pause
machte, mein neues Gefährt. Ein großer roter Reisebuss mit
Klimaanlage, Ledersitzen, USB-Schnittstellen zum Aufladen und WLAN,
was will man mehr! Während der Bus dann endlich in Bewegung kam,
nahm ich meinem Laptop wieder raus und schrieb an meinem Blog, da ich
schon damals einiges nachzuholen hatte. Während ich schrieb und
surfte bemerkte ich auf Couchsurfing.com, dass mich jemand eingeladen
hat, bei ihm zu verweilen. Er hieß Mike Koens und war 58, lebte in
Gladstone und wohnte wohl etwas außerhalb, was ich aber nicht
schlimm fand. Kurz bevor ich angekommen bin, schrieb ich Mike per SMS
an und fragte ob er mich denn abholen könnte, denn mir ist
aufgefallen, dass er 10 Minuten Autofahrt außerhalb wohnt, aber Mike
erwies sich als ein gute Gastgeber und tat mir den Gefallen. Als ich
dann in Gladstone ausstieg, fiel mir auf, dass die Stadt gar nicht so
hässlich war. Das Wetter war angenehm, es gab direkt vor der
Bushaltestelle einen Park und überall blühten bunte Blumen und
Sträucher.
Nach
weiteren 10 Minuten blinkte ein kleiner japanischer Wagen, wie ihn in
Australien viele fahren, und bog in die Bushaltebucht ein und kam vor
mir zum Stehen. Ein älterer Mann stieg aus und stellte sich als Mike
vor. Er war mir auf anhieb sympatisch und machte einen netten
Eindruck, jedoch sah er doch etwas älter aus als auf seinem Bild.
Wir verfrachteten meine Gepäckstücke in sein Auto und fuhren los.
Als
wir gerade ein Gespräch begonnen haben unterbrach er mich, verwies
auf das Lied im Radio und drehte die Lautstärke satt nach oben. Er
entschuldigte sich aber sagt, dass er das Gitarrensolo absolut stark
findet und er dabei immer so abgeht. Naja, jedem das seine. Danach
hatte er jedoch noch Zeit für einige Gespräche und so fuhren wir zu
seinem Haus.
Er
lebte in einem großen Haus etwas Abseits einer Hauptstraße. Er
sagte, dass es viel zu groß für ihn alleine sei und das er deswegen
einen Mitbewohner und gelegentlich Couchsurfer hatte. Er erzählte
mir schon zu Beginn von seiner gescheiterten Ehe, weswegen er sogar
die Stadt verlassen hat und nach Gladstone gezogen ist. Dort kaufte
er dieses Haus nach ein paar Jahren, da er mit seiner nächsten
Lebensgefährtin, seinen und ihren Kindern zusammen einziehen
wollten, allerdings scheiterte dieses vorhaben ebenfalls nach ein
paar weiteren Jahren und so habe er das Haus für sich alleine.
Wir
stiegen aus und ich durfte zum ersten Mal sein Haus betreten. Das
Erste was ich sah, war ein riesiger Billardtisch. Innerlich feierte
ich schon eine dicke Party auf diese Tatsache, während Mike mir die
weiteren Räume zeigte. Ich konnte kostenlos meine Klamotten waschen
und zum Abendessen gab es „leftovers“, also aufgewärmte Reste
vom Mittagessen (sehr typisch in Australien), mit Rum-Gingerbeer. Ich
fühlte mich sichtlich wohl.
Während
des Essens, erzählte Mike davon,dass er Faltschirmspringer sei,
Kampfsport machte, bei der freiwilligen Feuerwehr helfen würde und
Waisenkinder betreute. Man kann es jetzt auch übertreiben, aber
besonders die Tatsache, dass er mit einem Fallschirm aus einem
Flugzeug springt, machte mich Neugierig. Bevor ich Australien
verlasse möchte ich auf jeden Fall nochmal selbiges tun. Ich weiß
nur noch nicht, ob es ein durchschnittlicher Touri-Tandem-Sprung wird
oder ob ich einen Tageskurs, zum Erlangen der Lizenz, belege und dann
mit zwei weiteren Sprunglehrern springe aber dabei, die Leine selber
ziehen darf und alles alleine mache.
Plötzlich
öffnete sich die Tür und Paul kam rein, ein Mann in den vierzigern
und mit einem deutlichen Bierbauch. Das Bild bestätigte sich auch
direkt, als sich Paul ein Bier aus dem Kühlschrank holte und sich
mir danach vorstellte. Beide Herren waren sehr unterhaltsam und wir
verbrachten noch einen guten Abend zusammen, spielten Billard und
gingen danach schlafen.
Jeden
morgen an dem ich aufwachte, war ich alleine in einem großen Haus,
das einem „Fremden“ gehörte. Ich frühstückte immer ausgiebig,
zog mich um, spielte manchmal eine Runde Billard. Danach jedoch
machte ich mich immer auf den Weg in die Stadt. Wie? Naja... Ich ging
einfach bis an die Hauptstraße und ballte meine Hand, mit dem Daumen
nach oben gestreckt. Das internationale Zeichen für: „ Ich brauche
eine Mitfahrgelegenheit!“
Manchmal
klappte das sehr schnell, manchmal aber auch nicht. Auf diesem Wege
lernte ich aber viele Leute kennen. So sprach ich z.B. mit einem
Mann, der Kapitän auf einem Zugschiff im Hafen ist und einem alten
Mann, dessen Frau krank im Krankenhaus lag. Dann ging ich meist in
die Bibliothek und suchte, mit dem dortigen WLAN, auf Gumtree.com.au
nach Jobs. Die Ausbeute war überschaubar und schon nach 3 Tagen
fasste ich den Entschluss, dass die Jobsuche in Gladstone keinen Sinn
macht. Das schlimmste war jedoch der 2 Stunden-Fußweg zurück zum
Haus. Ich bin zwar wirklich gut im zu Fuß gehen aber der Weg war
eine Qual. Außerdem halten es die Australier nicht für nötig,
überall einen Fußgängerweg anzulegen. So durfte ich am Ende meiner
Strecke noch ca. 20 Minuten an einem Highway entlang laufen, da es
sonst keine andere Möglichkeit gab.
Aus
bequemlichkeit und weil ich keinen neue Couch gefunden habe, blieb
ich fast eine ganze Woche. Wir tranken viel Bier mit Paul, ich
begleitete Mike an seinem freien Tag zu verschiedenen Privatleuten,
die ihn beauftragt haben, er zeigte mir seinen richtigen Arbeitsplatz
und ich aß das erste Mal einen „Meatpie“. Es war eine gute Zeit,
die ich in Gladstone hatte, auch wenn sie nicht mit beruflichen
Erfolg gekrönt wurde. Couchsurfen ist mittlerweile meine bevorzugte
Unterkunftsart, da man so viele vermeintlich Wildfremde Menschen besser kennen lernt.
Deswegen,
zog es mich auch weiter nach Rockhampton, dem selbernannten „Beef
Capital“ (Rindfleisch-Hauptstadt). Dort leben ca. 61.000 Bewohner,
die diesen Spitznahmen wohl erfunden haben, da es dort sonst nichts
gab. Als ich raus gegangen bin, um diese selbsternannte Hauptstadt zu
besichtigen und nach vermeintliche Arbeitsplätze zu suchen, war ich
einfach überwältigt, denn ich habe noch nie so eine langweilige
Stadt gesehen. Das spannendste an Rockhampton ist, wenn ein
Lastwagen, beladen mit Rindern, an dir vorbeizieht. So stoppte ich am
Fritzroy River und starte in einen braunen Fluss. Ich hatte nur eine
Frage... WAS MACHE ICH HIER?
Warum
lief meine Jobsuche nicht gut? Weil ich nicht wirklich hier arbeiten
wollte. Ich wollte nicht in einer leeren, langweiligen Stadt bleiben
und vor allem wollte ich an Weihnachten alleine in einer kleinen
Stadt versauern und das Fest alleine verbringen. Ich wollte in die
Großstadt, wo ich etwas besonderes erlebe und Silvester auf eine
einzigartige Weise feiern kann. Mit anderen Worten, ich wollte nach
Sydney! Aber diese Idee war einfach nur dämlich und irrational,
diese Idee machte absolut kein Sinn. Ich musste mir eingestehen, dass
ich einen Fehler gemacht habe, allerdings war ich fast Pleite und
hatte ein Busticket. Ich saß also auf einer kleinen Mauer, trank
eine Schluck und dachte eine Weile nach, ohne wirklich zu Denken.
Ich
hatte zwei Optionen: Entweder ich bleibe irgendwo in Queensland und
versuche einen Job zu finden oder ich fliege nach Sydney, zu einer
Zeit, wo Jobs selten und Hostels besonders teuer sind und kämpfe
dort ums Überleben.
Ich
schaute weiter ins Leere und wog die beiden Optionen ab, obwohl ich
eigentlich schon wusste, welche Wahl ich treffen werde. Ich sah meine
Zukunft nicht in Rockhampton, ich wollte einfach nur nach Sydney.
Noch an Ort und Stelle holte ich mein Handy hervor und googelte nach
dem billigsten Flug nach Sydney. Ich sah, dass der billigste Flug am
nächsten Tag geht, für 100€ würde ich eine Flug von Rockhampton
nach Sydney buchen können. Ich versäumte keine weiter Minute und
ging zurück zu Wohnung, wo sich mein Laptop befand. Ich buchte die
insgesamt zwei Flüge und ging mit gemischten Gefühlen ins Bett.
Einerseits war ich glücklich, andererseits wusste ich, dass ich
gerade auf die Überholspur in Richtung Armut gezogen habe. Also lief
ich am Dienstag die ca. 3 Km zum Flughafen Rockhampton, bei 30 Grad,
denn ich sehe es nicht ein, die 4 Dollar für einen Bus zu bezahlen,
da ich doch 2 gesunde Beine habe. Angekommen wartet ich gepannt
darauf, dass mein Flug freigegeben wir und am Abend ging ich dann
endlich auf dem Flughafenfeld in Richtung Flieger. Das Flugzeug wurde
von der Abendsonne umspielt und glänzte in einem anmutigen Licht,
ich musste sofort grinsen, ich hatte die Sonnenbrille auf, die Sonne
lachte mich an, vor mir stand ein majestätisches Flugzeug, die
Stewardess begrüßte mich und ich wusste, dass ich das Richtige
mache. Noch dazu liebe ich es zu fliegen, ich finde es geil wenn die
Triebwerke aufheulen und ein mehrere Tonnen schweres „Ding“ in
die Luft hebt.
Nach Eis, Bier und einem Zwischenstopp in Brisbane,
erreichte ich den Luftraum über Sydney. Während ich im Fernseher
die Auslosung der Champions League sah, erschienen unter mir Lichter,
viele Lichter, ein Meer aus Lichtern, ich war über Sydney. Endlich
befand ich mich wieder in einer Großstadt. Jetzt heißt es wirklich:
Get rich or die tryin`!
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